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Dienstag, 19. August 2014

Ein aktueller und unverfälschter Bericht eines Augenzeugen aus Gaza

Meldung aus Gaza Aus dem Kriegs-Friedhof
Gaza am 13/08/2014 um 19 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die dreitägige Waffenpause ist fast zu Ende und noch ist unklar wie es weitergehen wird. Der
Vermittler sollte eigentlich den gleichen Abstand zu den zerstrittenen Parteien haben, und er
müsste auch auf beiden Seiten den gleichen Druck ausüben können. Er muss glaubwürdig,
unparteiisch sein und einen guten Ruf genießen - vor allem muss er von beiden Seiten akzeptiert
werden. Ich hoffe so sehr, dass das auf den Vermittler in unserer Situation zutrifft.

Als ich gestern mit Bekannten und Freunden in Richtung Shijaiaa aufbrach, hatten wir wenig
Ahnung davon, was wir dort zu sehen bekommen werden. Als wir dann dort ankamen waren wir
schockiert weil es nicht klar war, wo die Straße entlang ging. Es gab keine Grenzen mehr
zwischen den einzelnen Häusern, die Bagger haben "sehr gute Zerstörungsarbeit geleistet", totale
Zerstörung und Gestank von verwesenden Leichen und vom Blut. Das war sehr unerträglich und
beweist, dass noch Leichen (oder zerfetzte Leichenteile) unter den Trümmern liegen. Was für eine
Katastrophe, was für eine SCHANDE, dass dieser Völkermord unter den Augen und Ohren dieser
freien demokratischen Welt stattfindet und die Welt schaut weg. "Den Tieren in dem Zoo, geht es
besser als es uns hier in Gaza geht". Wären das Tiere gewesen, so gäbe es möglicherweise eine
UNO-Resolution, damit diese Tiere geschützt werden. Bitte verzeihen Sie mir diesen Vergleich..
Ich schäme mich so sehr dafür und bedauere es sehr. Diese Zeilen schreiben ich Ihnen, während
die Tränen mir unaufhörlich übers Gesicht laufen. Ich kann es einfach nicht glauben, dass so etwas
im 21. Jahrhundert möglich ist und Wirklichkeit werden kann.

Hier in Shijaiaa wurden ca. 3500 Häuser total demoliert und ca. 6500 Häuser teilweise zerstört. In
diesen Häusern lebten 120.000 Menschen. Nun sind sie obdachlos. Ich habe unter Ihnen Freunde
und Bekannte sowie Kollegen von der Universität. Es gibt auch Professoren, die Ihre Häuser auch
verloren haben. Diese letzte Vertreibung aus dem Paradies wird nicht nur ein einziges Nachwort
haben, es werden unzählige Nachworte sein. Sie werden sich an meine Worte erinnern. Es ist
irrsinnig, wozu die Menschen fähig sind. ABER das die Opfer von gestern die Täter von heute sind,
das ist, was mich sehr bedrückt und mir den letzten Atemzug nimmt.

Das Unrecht, was wir am eigenen Leib und Seele erleb(t)en, schreit bis zum siebten Himmel, und
ich frage, wo die Hüter der Menschenrechte sind, wo die aufrichtigen und freien Menschen dieser
Welt sich verstecken. Wo bleiben die Weltkirchen? Wo bleiben die Philosophen und Denker
unserer Zeit? Was ist wohl mit dieser Menschheit los? Sind wir wirklich noch Menschen? Haben
wir noch Gefühle. Das ist ungeheuerlich. Ich frage mich, WARUM? Ich will nur in Frieden und
Würde ein "HALBWEGS" normales Leben führen. Wenn das viel verlangt ist, so lassen Sie mich das
bitte wissen. Bringt das Morden, Zerstören und Vernichten Frieden? Hat eine Besatzungsmacht
auf Dauer je einen "KRIEG" gewonnen? Haben die Unterdrückten "längerfristig" je verloren?
Zum Schluss, diese Besatzung muss ein Ende haben und zwar hier und jetzt, NICHT Dort und
NICHT in einer Wochen. Es reicht… wenn es noch länger so weitergehen sollte, dann möchte ich
Sie darum bitten, nach unserem Tod Blumen auf unsere Gräber zu bringen.

Mit traurigen Grüßen aus dem Friedhof aus Gaza


Abed Schokry